Reichspogromnacht

Seit dem Mittelalter wurden in Russland und anderen osteuropäischen Staaten und auch in deutschen Gebieten immer wieder Juden verfolgt. Sie wurden beraubt, vertrieben, oft auch ermordet. Solche gewalttätigen Verfolgungen, die sich gegen Minderheiten in einem Staat richten, bezeichnet man als "Pogrome". Das Wort kommt aus dem Russischen und bedeutet "Verwüstung", "Unwetter". Die Gewalttaten gegen Juden wurden meist von staatlichen oder kirchlichen Stellen unterstützt. Als Grund für die Pogrome dienten bis weit ins 20. Jahrhundert falsche Anschuldigungen. Man machte die Juden zu Sündenböcken für vieles, was im Staat falsch lief. Weil die Juden immer in der Minderheit waren, waren sie den Gewalttätern ausgeliefert.
 
Die Reichspogromnacht (so genannte Kristallnacht) fand in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 statt. In dieser Nacht begannen im nationalsozialistischen Deutschland direkte und gezielte Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung. Sie waren der Anfang der systematischen Vernichtung der Juden, der Beginn des Holocaust. 
 
Kristallnacht war ein Begriff, der an etwas „Edles“ erinnert – mit Kristall verbinden die Menschen in der Regel nicht Schlimmes. So war es wohl auch gemeint, der Begriff sollte etwas Schlimmes beschönigen. Mit Reichspogromnach wird eine Tatsache bei ihrem Namen genannt: Es war ein Pogrom, in dem viele Juden getötet wurden.



In der Reichspogromnacht wurden jüdische Geschäfte geplündert und zerstört, Synagogen wurden niedergebrannt. Die Polizei griff nicht ein, nur wenige Menschen trauten sich, ihren jüdischen Mitbürgern zu helfen. In dieser Nacht wurden nach offiziellen Angaben 91 jüdische Männer und Frauen in ihren Wohnungen, am Arbeitsplatz, auf offener Straße oder in den Gotteshäusern ermordet. Heute weiß man, dass es mehr als tausend waren. 30 000 Menschen wurden verhaftet und in Konzentrationslager geschleppt. 191 Synagogen gingen in Flammen auf, 76 weitere wurden völlig vernichtet. Hunderte weitere Synagogen und Betstuben wurden demoliert, etwa 7000 Geschäfte jüdischer Einzelhändler zerstört. SS und Gestapo organisierten die Verschleppung von ca. 26000 jüdischen Männern und Jugendlichen in die KZs Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen. Die Masse der Inhaftierten kam erst nach Auswanderungserklärungen frei. 
 
Engagierte Rostockerinnen und Rostocker rufen bereits seit vielen Jahren im November gemeinsam zu Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Holocaust auf (dazu gehören z.B. die Katholische und Evangelische Studentengemeinden, das Max-Samuel-Haus, der Synagogenförderverein "Arnold Bernhard" e.V. u.v.a.). Auch durch die Präsidentin der Bürgerschaft sowie den Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock wird zur Teilnahme an diese Gedenkveranstaltungen aufgerufen.
 
Immer am 9. November um 18 Uhr findet ein Meeting auf dem geschlossenen jüdischen Friedhof im Lindenpark statt: mit Gebeten, Lesen von Psalmen und Kranzniederlegungen. 
 


Am 10. November um 10 Uhr trifft man sich an der Gedenkstele für die am 10.11.1938 zerstörte Rostocker Synagoge in der Augustenstraße 101 (diese brannte in den Morgenstunden des 10.11.1938). Das Trauergebet wird von Landesrabbiner William Wolff gesprochen. Es werden die Namen der Rostocker Jüdinnen und Juden verlesen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Auf dem Grundstück, auf dem von 1903 – 1938 die Synagoge stand, steht heute ein Wohnhaus. Lediglich der 1988 errichtete Gedenkstein erinnert an den Synagogenstandort. 
 
Am 10.11. findet im Gemeindezentrum - bereits traditionell im Rahmen der multikulturellen Wochen der Hansestadt Rostock - der Tag der offenen Synagoge statt. Zu Beginn gibt es einen Vortrag zu einem Thema aus der Geschichte des Judentums. Außerdem werden interessierte Besucherinnen und Besucher durch das Gemeindezentrum mit integrierter Synagoge geführt.
 
Die Jüdische Gemeinde Rostock gibt es seit 1994. Sie hat aktuell 680 Gemeindemitglieder. Die Gemeinde schafft für ihre Mitglieder alle Bedingungen für ein vollwertiges jüdisches Leben: alle Gottesdienste werden durchgeführt, die Feste im jüdischen Jahreslauf gefeiert, vorgeschriebene Riten eingehalten. Es gibt eine Sonntagsschule für Kinder und einen Jugendklub. Zusätzliche Aufgaben ergeben sich für die Gemeinde daraus, dass sie zu fast 95% aus Zuwanderinnen und Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion besteht. Daher gibt es auch viele Integrationsangebote in der Gemeinde, z.B. Deutschunterricht für Senioren, eine Gemeindebibliothek, verschiedene Klubs und Zirkel, wie z.B. einen Zeichenzirkel für Kinder. Diese Angebote können auch die nichtjüdischen Familienangehörigen der Gemeindemitglieder nutzen.
 
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